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„Sympathisch mit unseren Pfunden wuchern“

Wenn alljährlich am ersten Juliwochenende auf und unter der Heidecksburg drei Tage lang nichts mehr so ist, wie es fast immer ist, dann ist tanzfest in Rudolstadt. Eine, die das Tanz- & Folkfest vor exakt 15 Jahren mit aus der Taufe hob und zum größten und erfolgreichsten in ganz Europa machte, ist die Rudolstädter Kultur- und Sozialdezernentin Petra Rottschalk (SPD). Die schwärmt auch darüber hinaus vom Städtedreieck und zeigt sich im NTI- Interview keineswegs beunruhigt, dass gleich nach den Weltmusikern, Folkrockern und Tänzern Wanderstöcke und Kniebundhosen das Bild am Saalebogen bestimmen werden.

NTI: Landestheater, Vogelschießen, Tanz&FolkFest (TFF), KulTourNacht, Sommertheater auf der Heidecksburg, Alstadtfest und nun lockt im diesem Jahr auch noch der Schiller. Wobei damit trotzdem nur die größeren kulturellen Events von Rudolstadt wiedergegeben sind. Frau Rottschalk wie viel Kultur und Kunst verträgt das Städtedreieck bzw. Rudolstadt und ist es nicht manchmal des Guten zu viel?

ROTTSCHALK: Und dabei haben Sie sogar noch die Europäischen Amateurtheatertage vergessen. Die von ihnen genannten Veranstaltungen bedienen zum einen unterschiedliche Zielgruppen in der Bevölkerung des Städtedreiecks und zum anderen geht auch um  die Herkunft unseres Publikums. Zum TFF kommen die Leute aus ganz Europa und zum Vogelchießen aus ganz Thüringen, während das Altstadtfest vorwiegend von einem Publikum lebt, das im Städtedreieck lebt. Insofern würde ich nicht von einem Überangebot sprechen, sondern es erscheint mir wichtig, dass möglichst allen Interessengruppen im Laufe eines Jahres entsprechende Angebote unterbreitet werden können. Wo dann die einzelnen Veranstaltungen stattfinden, ist für die Steigerung des Bekanntheitsgrades unserer Region letztlich egal.

NTI: Es gibt also keinen Wettbewerb zwischen den Städten auf dem gebiet der Kultur?

ROTTSCHALK: Natürlich gibt es eine gesunde Rivalität. Aber grundsätzlich ist die Zusammenarbeit zwischen den drei Städten auf dem Gebiet des Tourismus und auch im Kulturmanagement in Ordnung. Karten für das Rudolstädter Theater kann man in Saalfeld kaufen, die dortigen Feengrotten werden natürlich auch von Bad Blankenburg aus beworben und für die Veranstaltungen in der Stadthalle bekommt man Tickets selbstverständlich auch in unserer Touristinformation. Ärgerlich ist nur, wenn sich Veranstalter wegen fehlender Abstimmung mitunter gegenseitig die Besucher wegnehmen.

NTI: Mit der Folge, daß keine der konkurrierenden Events die Besuchererwartungen erfüllt?

ROTTSCHALK:  In manchen Fällen ist das leider so. Und das ist umso bedauerlicher in einer Zeit, in der die Mittel für die Kultur immer knapper werden.

NTI: Wobei wir bei den Finanzen angelangt wären. Zum einen kosten Kunst und Kultur zweifelsfrei Geld und refinanzieren sich nur in Ausnahmefällen. Andererseits ist auch im Städtedreieck die Arbeitslosigkeit alarmierend und scheint sich auf diesem hohen Niveau zu manifestieren. Was entgegen Sie so manchen enttäuschten bzw. frustrierten Bürger, wenn er so argumentiert, dass auf der einen Seite kein Geld für Beschäftigungsmaßnahmen und auch keine Arbeit da ist, auf der anderen Seite aber offenbar noch genug für Kunst und Kultur?

ROTTSCHALK: Den zynischen Standpunkt, dass es besser ist, in einer Stadt wie Rudolstadt arbeitslos zu sein als in einer, in der es nicht so viele kulturelle Höhepunkte gibt, teile ich nicht. Da ich in Rudolstadt nicht nur Kultur-, sondern auch Sozialdezernentin bin, schlagen bezüglich dieser Fragestellung natürlich zwei Herzen in meiner Brust. Mit unseren freilich auch nur beschränkten Möglichkeiten versuchen wir, möglichst viele ALG- II- Empfänger im Rahmen der von zu verantwortenden Arbeitsgebiete auf Basis von Ein- Euro- Jobs zu beschäftigen. Wobei es dabei nicht immer nur um den hinzuverdienst von 130 Euro im Monat geht, sondern vielmehr auch um das Gefühl, gebraucht zu werden und damit in einer Gruppe oder für eine Aufgabe wichtig zu sein. Andererseits ist es aber ein Irrglaube, dass Kultur ausschließlich kostet oder sich über die schlichte Vermeidung die finanziellen Zwänge und Nöte der Thüringer Kommunen über Nacht in Luft auflösten. Insofern, sind wenngleich auch ein wenig pathetisch formuliert, Kultur und Tourismus auch eine Chance für die Region.

NTI: Weil Sie für Rudolstadt ein Geschäft darstellen?

ROTTSCHALK: Sicher doch, auch wenn man den Nutzen nicht immer buchhalterisch exakt belegen und demzufolge auch argumentieren kann.

NTI: Aber man kann es versuchen.

ROTTSCHALK: Nehmen wir mal nur das Landestheater, für das im Rahmen einer Zweckpartnerschaft Rudolstadt, der Landkreis, aber auch die Stadt Saalfeld aufkommen und das dank einer erfreulich guten Auslastung, der besten in Thüringen übrigens, eigene Erlöse erzielt. Das Theater bindet 140 Arbeitsplätze, deren Kaufkraft fehlen würde, wenn man das Theater schließen wollte. Dazu kommt natürlich noch die Kaufkraft derer, die eigens wegen des Theaters nach Rudolstadt kommen.

NTI: Und auch vom TFF partizipiert die Stadt?

ROTTSCHALK: Rein monetär sicher nicht. Dafür aber ist der ideelle Nutzen im Sinne einer deutschland- und europaweiten Werbung für unsere Stadt praktisch unbezahlbar.

NTI: Für die sich aber der Bürger und die einheimische Wirtschaft nichts kaufen können?

ROTTSCHALK: Die wiederum profitieren ganz konkret.

NTI: Inwiefern?

ROTTSCHALK: Zum Beispiel über Aufträge, die allein wegen unseres Festivals für Bühnentechnik, Sicherheitsdienste oder aber für Druckleistungen an hiesige mittelständische ausgelöst werden und deren Volumen sich auf über 200.000 Euro pro Jahr beläuft.

NTI: Dazu kommt dann noch das Geld, das die Besucher in den vier Tagen in Rudolstadt lassen.

ROTTSCHALK: Und das ist erheblich. Für das, was die Gastronomie, die Hotellerie und der Einzelhandel erwirtschaften, gibt es kein verläßliches Zahlenmaterial.

NTI: Aber sicher doch ein solches bezüglich der Gäste- bzw. Übernachtungszahlen?

ROTTSCHALK: Der letzte Stand im Vorverkauf war um 15 Prozent besser als im Vorjahr. Wir können also wieder davon ausgehen, daß wir ungefähr  15.000 bis 18.000 Übernachtungen auf den Campingplätzen sowie weitere 7000 Übernachtungen in den regulären Hotel- und Gästezimmern, vorwiegend für die Künstler selbst sowie für die Medienvertreter, hatten.

Das Interview führte Jürgen Raabe

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